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Bericht der Frühjahrstagung  vom 26.-28. April 1999 in Salzburg  

Medienarchive in Zeiten des Internet -
Wissensmanagement Informationsmarketing und neue Allianzen 

In: INFO 7, 2/99

Rund 180 Teilnehmer, zum großen Teil über die nahe Grenze aus Deutschland angereist, aber auch zahlreiche Medienarchivare aus ganz Österreich, der Schweiz und anderen europäischen Ländern, erlebten die 39.Frühjahrstagung der Fachgruppe 7 im VdA Ende April in einem überraschend sonnigen Salzburg. Die Schönheiten der Barockstadt, nicht zuletzt aber auch ihre Geheimnisse, vermittelte aus intimer Kenntnis am Anreisetag Hannes Eichmann, Redakteur beim Salzburger ORF-Landesstudio, bei einem Streifzug durch die Altstadt. Tagungsstätte war das berühmte Crowne Plaza, ehemals Hotel "Pitter", in dem die ORF-Kollegen um Dr. Peter Dusek, Fernseharchivleiter aus Wien und seit kurzem Präsident des internationalen Verbands der Fernseharchive FIAT, ihr ganzes - aus der Frühjahrstagung 1991 in Wien schon bekanntes - organisatorisches Geschick entfalteten.

"Medienarchive in Zeiten des Internet" war die Tagung überschrieben - gelegentlich hörte man auch die Version "im Zeichen des Internet". In der Tat erwiesen sich die Archivare und Dokumentare aus Presse, Rundfunk, Film, Wirtschaft und Wissenschaft auf dieser Tagung nicht bloß als von den Zeiten des Internet nur Betroffene, sondern als bereits höchst aktive Mitgestalter und Nutzer des World Wide Web. Beispielhaft hierfür war schon die gerade rechtzeitig vor Tagungsbeginn fertiggestellte Präsentation der Fachgruppe 7 und ihrer Aktivitäten auf einer eigenen Homepage (www.fg7.de). Der Fachgruppenvorstand hatte die "Contents" geliefert, Hans-Gerhard Stülb und Uta Rosenfeld (beide NDR) besorgten die technische Umsetzung. Auch der Tochterverein VFM (Verein Fortbildung Medienarchivare) kam auf diese Weise zu einer eigenen WEB-Seite (www.vfm-online.de) und hat damit u.a. für seine Seminare beim Deutschen publizistischen Bildungszentrum in Hagen und anderswo ein aktuelles Ankündigungsmedium.

Drei Schwerpunkte wurden unter dem Generalthema "Internet" abgehandelt: Informationsmarketing, neue Allianzen und Rechtsfragen. Zuvor allerdings setzte der Eröffnungsvortrag des jungen Schriftstellers Steffen Kopetzky mit dem Titel "Andenken und Vergessen oder Die Gespenster der Archive" (abgedruckt in INFO 7, 1/99) der Tagung ein mit stürmischem Beifall bedachtes Glanzlicht auf. Die Probleme mit dem Urheberrecht, die durch die Digitalisierung und die dadurch ermöglichten Intranet-Projekte insbesondere der Pressearchive entstanden sind, beherrschten dann nicht nur den ersten Tag, sondern tauchten im Verlauf der Tagung immer wieder auf. Grundlegend führte hierzu Prof. Dr. Norbert P. Flechsig vom SWR-Justitiariat in Stuttgart in die Situation "nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lichte europäischer Harmonisierung des Urheberrechts" ein. Flechsig plädierte für eine Anpassung des § 53 Urheberrechtsgesetz an das neue digitale Zeitalter durch entsprechende Novellierungsaktivitäten der Politiker. Die Verlagsvertreter Georg Wallraf, Justitiar der Handelsblatt-Gruppe, Reinhold Gokl und Claus Niedermaier (beide GENIOS) betonten demgegenüber die Eigentumsrechte der Zeitungsverlage und ihre Verfügungshoheit über die Lizenzen. Wallraf stellte das neue Projekt "Pressemonitor GmbH" mehrerer Verlage vor, das für den "elektronischen Pressespiegel" in Unternehmen eine rechtlich abgesicherte Lösung anbietet. Gokl und Niedermaier führten am Beispiel der Pressedatenbank des Informationsrings Kreditwirtschaft aus, wie man über eine solches externes Angebot verschiedener Zeitungsverlage eine Verbundlösung z.B. auch mit Rundfunkanstalten ansteuern könnte.

Den zweiten Tag teilten sich das Plenum mit dem Thema "Informationsmarketing" und die Arbeitsgruppen. Michael Fuhrmann, der den Verkauf für interaktive Werbung bei der Gruner&Jahr-Electronic Media Service GmbH (EMS) leitet, erläuterte nach einer video-unterstützten Vorstellung des Unternehmens EMS und seines "Herzstücks", der Suchmaschine "Firewall", was unter One-to-one-Marketing zu verstehen ist. Im Gegensatz zum Massen-Marketing, das ein Produkt an möglichst viele Kunden bringen will, wird beim One-to-one-Marketing der Kunde "differenziert" und mit möglichst vielen Produkten bedacht. Hervorragendes Medium hierfür ist das Internet, für das Fuhrmann eine dreißigprozentige Marktdurchdringung im Jahr 2001 voraussagte. Isabella Quitter, im Informationscenter der Deutschen Bank zuständig für Marketing, leitete aus dem Beispiel von Internet- und Intranet-Angeboten ihres Informationscenters einige Regeln für ein erfolgreiches Informsationsmarketing ab: sowohl nach innen, ins eigene Unternehmen, als auch - über Internet - nach außen. Sie empfahl insbesondere Flexibilität bei wechselnden Marktverhältnissen. Es gebe nicht ein Marketing-Konzept für alle Geschäftsfelder. Quitter sah eine beachtliche "Schnittmenge" ihrer Dienstleistung mit der der Mediendokumentation und plädierte für stärkere Zusammenarbeit zwischen Medienarchiven und Dokumentationsstellen der Wirtschaft. Als letzte referierten zu diesem Thema Gudrun Menze und Najette Chakroun von der Dokumentationsabteilung des Axel-Springer-Verlags in Hamburg. Sie offerierten praktische Erfahrungen im Informationsmarketing anhand ihres seit 1997 im Aufbau befindlichen Intranet-Angebots. Es speist sich aus mehreren, z.T. schon miteinander "verlinkten" Datenbanken und ist zunächst ein Angebot für die Journalisten des eigenen Hauses. Der Schwerpunkt des Marketingkonzepts liegt auf der Endnutzerfreundlichkeit, hinter der Expertenwünsche der Dokumentare zurückzustehen haben.

 

Am Nachmittag tagten getrennt die Arbeitsgruppen Input/Output, Tondokumente und Multimedia. In der AG Input/Output (Moderation: Hanna Klenk-Schubert, Stuttgarter Zeitung) stellte zunächst Norbert Lublasser, Chef vom Dienst der "Salzburger Nachrichten", seine Zeitung und ihr Archiv vor. Zum Konzept einer Qualitätszeitung, so Lublasser, gehöre eine optimale Informationsversorgung. Das Archiv der "Salzburger Nach- richten" setzt deshalb - wie viele Zeitungen in Österreich - stark auf die Dienstleistungen der österreichischen Presseagentur APA, die mit ihren maßgeschneiderten Datenbanken weit mehr anbietet als nur Agenturmeldungen. Stefan Geißler vom Institut für Logik und Linguistik der IBM, Heidelberg, beschrieb, mit welchen Methoden sog. Textmining-Systeme allmählich intellektuelle Erschließung auch von Pressetexten durch automatische Erkennung und Evaluierung von Schlüsselbegriffen ersetzen können. Er berichtete von einem Pilotprojekt bei Gruner&Jahr, das ca. 5000 Texte einer automatischen Erschließung unterzog. Gute Ergebnisse gab es dabei in den Rubriken Sport und Kunst, entwicklungsbedürftig ist der Textminer noch im Ressort Gesellschaft/Vermischtes. Abschließend referierte Friedrich von Zitzewitz über seinen beim NDR vorgenommenen Recherchevergleich zwischen internem Pressearchiv, dem Internet und dem Pressedatenbankanbieter GENIOS. Die externen Anbieter schnitten dabei deutlich besser ab als das NDR-Pressearchiv, konnten dieses jedoch keinesfalls gänzlich ersetzen

Die AG Tondokumente, gleichzeitig Sitzung der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz (Moderation: Ulrich Duve vom Klaus-Kuhnke-Archiv für populäre Musik in Bremen), begann mit einem Vortrag von Kurt Degeller über das von ihm geleitete "Memoriav" in Bern. Memoriav ist selbst kein Archiv, sondern die zentrale Koordinierungsstelle für mehrere Schweizer Medienarchive, darunter die Schweizerische Landesbibliothek, die SRG, das Schweizer Bundesarchiv, das Schweizer Filmarchiv und die Landesphonothek. Neben der zentralen Dokumentation in einer im Internet aufgelegten Datenbank, die künftig außer Referenzen auf AV-Dokumente aller Art auch die Inhalte selbst anbieten will, gehören die Restaurierung und Zugänglichmachung von Filmen, Videos und Tondokumenten zu den Aufgaben des Vereins.

Als nächster Referent folgte Prof. Dr. Wolfgang Krüger (Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen in Stuttgart) mit einem Bericht über das "Clearing-House Musik" an der HBI. Auf einer WEB-Seite des HBI zeigt das "Clearing-House Musik" dokumentierte Listen zu verschiedenen Musik- sparten; das Projekt bietet mit annotierten Verweisen mehr als nur eine Suchmaschine. Eine Intranet-Lösung des ZDF für die Versorgung seiner Musikredakteure nicht nur in der Zentrale Mainz stellte Wolfgang Birtel vor. Die im ZDF entwickelte Software codiert und decodiert Musik im MP3- Format. Das Archiv digitalisiert und codiert Musiktitel und stellt sie auf einem FTP-Server für den Nutzer incl. der GEMA-Daten zum Decodieren abrufbereit. Über ein weiteres Projekt der Digitalisierung von Tonträgern, die dann im Internet abrufbar gemacht werden (www.kkarchiv.de /IASA) berichtete Ulrich Duve vom Klaus-Kuhnke-Archiv, einem Institut an der Hochschule für Künste in Bremen, an dem auch der Bremer Senat beteiligt ist. Neben einer Datenbank mit ca. 50000 Tondokumenten beherbergt der gleiche Server auch die Homepage der IASA-Ländergruppe Deutschland/ Deutschschweiz.

Die AG Multimedia, traditionell moderiert von Dr. Heiner Schmitt (ZDF), setzte ein mit einer Demonstration des Moderators, der anhand eines Meßgeräts seine fabelhaften Blutdruckwerte nachwies. Damit dementierte er in Umlauf gebrachte Gerüchte über sein angebliches, auf hohen Blutdruck zurückzuführendes vorzeitiges Ausscheiden aus den Diensten des ZDF. Seine Kollegen vom ORF, Herbert Hayduck und Johannes Kraus, führten sodann ihre spezielle Anwendung von EUROMEDIA vor, eines in Zusammenarbeit mit ARD-Anstalten aufgebautes digitales Videoarchiv, das eine völlig neue Dokumentationsebene und Dokumentationsidentität beinhaltet. Hier wird in ersten wichtigen Schritten bereits nutzergerecht realisiert, was im vergangenen Jahr in Würzburg ein SAT1-Projekt ankündigen wollte, das danach allerdings scheiterte. Ein kleines, aber feines digitales Musterarchiv präsentierte danach der Hamburger FH-Student Heiko Linnemann. Die an der FH Hamburg entwickelte Software ALDOK macht den thematischen Zugriff auf Meeresfilme in Kombination mit einzelnen Videotakes möglich. Als letzte Referentin in dieser AG berichtete Ursula Wamser, Leiterin der Bilddokumentation im Spiegel-Archiv, über die Bilddatenbank "50 Jahre Deutschland", die auch im Internet angeboten wird. Sie gab eine Übersicht über Bestände, Dokumentationsmethoden und Zugriffsmöglichkeiten. Der Zugriff ist jedermann möglich; Journalisten können eine besondere Zulassung zum Herunterladen von Bildern erhalten.

Etwas zu kurz kam das angekündigte Unter-Thema "Neue Allianzen" am letzten Tag, da die Referentin aus der Geschäftsführung der Tourismus-Welle 1 kurzfristig absagte. So konnte Peter Dusek lediglich einen Videofilm über die Zusammenarbeit zwischen Privatfernsehen und öffenlich-rechtlichem Rundfunk am Beispiel von TW1 abspielen lassen. Von Wolfgang Kerbler, der Marketing und Verkauf der Austria Presseagentur in Westösterreich leitet, bekamen die Teilnehmer dafür umso kompetenter die neuesten Aktivitäten der APA innerhalb eines von ihr aufgebauten Europäischen Pressedatenbankverbundes nahegebracht. Hier sind die Agentur, der Schweizer Rundfunk und der deutsche Datenbank-Anbieter Genios eine vielversprechende Verbindung eingegangen. Das war vor Jahren mit der DPA und den Rundfunkanstalten in Deutschland so ähnlich angedacht worden, hätte viele Rechts-Probleme im Vorfeld lösen können, die am ersten Tag in Salzburg debattiert worden waren, und kommt in Österreich nun offenbar ganz pragmatisch zustande.

Alles in allem bot die Salzburger Frühjahrstagung den Medienarchivaren wieder einmal ein Forum, auf dem die aktuellsten Entwicklungen sowohl in der Technologie als auch bei den sog. "Contents" verhandelt wurden. Die Großzügigkeit des Gastgebers ORF und des Landeshauptmanns, die am Montagabend zu einem gemeinsamen Empfang in die Residenz einluden, versüßten die z.T. anstrengende Arbeit im Plenum und in den Gruppen- sitzungen.

Eckhard Lange

 

 


02.03.2009