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Bericht der Frühjahrstagung  vom 8.-10. Mai 1995 in Rastatt  

Die Mediuenarchive und die Informationsnetze -
Wer zappelt im Netz, wer knüpft die Fäden?

In: INFO 7, 1/95


"Die Medienarchive und die Informationsnetze: Wer zappelt im Netz, wer knüpft die Fäden?" - Frühjahrstagung der Fachgruppe der Medienarchivare und -dokumentare im Verein deutscher Archivare vom 08. bis 10. Mai 1995 in Rastatt

Das feuilletonistische Leitmotto der Veranstaltung hatte es vielen angetan; es wirkte geradezu verführerisch: Nicht nur, daß die Grußredner dieses Bild aufgriffen und zum Teil sogar biblische Vorlagen bemühten, nein, auch Bürgermeister Wafzig beim Empfang der Stadt am Montagabend und mehrere Referenten fühlten sich animiert, die Metapher in weitere Zusammenhänge einzubinden.

Rastatt - nach der Absage Basels als Veranstaltungsort der Frühjahrstagung der Fachgruppe 7 - hat in diesem Jahr viele Teilnehmer begeistert. Das zeigt schon die große Resonanz. Nie zuvor in der 36jährigen Geschichte der Fachgruppe 7 kamen so viele wie 1995; mit 218 Teilnehmern gab es den absoluten Beteiligungsrekord bei Frühjahrstagungen der Medienarchivare. Das mag auch am einladenden barocken Ambiente der Stadt mit ihren zivilen Hotelpreisen und dem durchaus weitläufigen badischen Gastronomieangebot gelegen haben. Eine Stadt, die zur Geschichte der Demokratiebewegung einiges beizutragen hat, denken wir nur an die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, die als Freiheitsmuseum im Schloß Rastatt untergebracht ist. Entscheidend für die große Resonanz war aber wohl das ebenso interessante wie vielversprechende Programmangebot der Plenarveranstaltungen und der Sitzungen der Arbeitsgruppen.

Auch in Rastatt hielten nicht alle Programmangebote das, was sie versprachen, insgesamt ist aber eine positive Bilanz zu ziehen. Eher unbefriedigend, in Teilen langweilig, auch viel zu akademisch und abstrakt verlief dabei die Hauptveranstaltung der ersten Tage, die Podiumsdiskussion "Die Rollen der Medienarchive im modernen Informationsmanagement: An den Rand gedrängt oder von zentraler Bedeutung?". Mit welcher Einseitigkeit und nur das eigene Blickfeld darstellend sich Fachkollegen, vor allem aus dem Wissenschaftsbereich, konstant einer von Eckhard Lange als Moderator mehrfach angemahnten Öffnung auf die gesamten Bandbreite der Medienarchivierung hartnäckig verschließen können, dafür war die Podiumsdiskussion ein gutes Beispiel.

Ausschließlich eingeengt auf Informationsaufbereitung und -versorgungsprobleme blieb die Veranstaltung ein

 

Torso, wobei unsere dokumentarischen/archivarischen Fachkollegen noch am besten aussahen. Ein eher teilnahmsloses Plenum bestrafte die Diskutanten schlicht mit Verweigerung.

Dabei hatte die Tagung mit dem Vortrag von Harald Ritter von der Sächsischen Zeitung aus Dresden "Presse, Pressedokumentation und Vermarktung in den neuen Bundesländern" durchaus interessant begonnen. Hier wurden neue Wege der Versorgung, der Verwertung und Vermarktung aufgezeigt und diskutiert.

Die inhaltlichen Höhepunkte der Frühjahrstagung 1995 lagen am Dienstag, dem 09. Mai, als Joachim Lampe, Produktionsdirektor des Norddeutschen Rundfunks, es beim Thema "Die Zukunft der Rundfunkarchive unter dem Gesichtspunkt der Effektivitätssteigerung und Kostenorientierung" an Klarheit und Eindeutigkeit nicht fehlen ließ: Ohne eine Umorientierung und Einbeziehung neuer multifunktionaler Tätigkeiten werden die Medienarchive im Rundfunk nicht überleben können. Ein neues Selbstverständnis ist angesagt, erweiterte Fertigkeiten und innovative Fähigkeiten sind gefordert, die bis zur vorredaktionellen Bearbeitung in einem zukünftig rein digital funktionierenden Produktions- Bearbeitungsumfeld den Arbeitsplatz des Medienarchivars/-dokumentars prägen werden. Kooperation zwischen den Anstalten soll die Ressourcen aktivieren und programmrelevante Dienstleistungen effizienter gestalten helfen (Stichwort: Programmaustausch). Dezentrale Dienstleistungseinrichtungen, die samt und sonders vernetzt sind, arbeitsteilige Verfahren und Verbundkooperation von Archiven, die ständig und unmittelbar in das Produktionsgeschehen eingebunden sind, bilden eine zeitgemäße und moderne Organisationsstruktur, die der schwerfälliger Zentraleinrichtungen mit ihrem Monopolversorgungsanspruch allemal um Längen überlegen ist.

Wie anstaltsübergreifende Kooperation effizient eingesetzt werden kann, demonstrierten im übrigen am Nachmittag ABD-Fachleute verschiedener ARD-Anstalten eindrucksvoll mit einer Präsentation ihrer bereits vernetzten Datenbanken, die jedem beteiligten Haus einen umfassenden Zugriff auf die Bestände der einzelnen Rundfunkanstalten erlauben; ein Projekt, dem sich mittelfristig auch der ORF anschließen könnte. Jedenfalls zeigte Herbert Hayduck die schnelle Verfügbarkeit seiner Datenbank und berichtete von einem zunächst auf ein Jahr angelegten Pilotprojekt einer Datenbankdirektnutzung durch ORF und SWF/SDR.

Selten wurde bei Frühjahrstagungen so kompetent und gleichzeitig brillant ein im Trend liegendes, aber äußerst diffiziles Thema - gemeint ist Multimedia - behandelt. Dem Referenten, Andreas Weiß vom Bayerischen Rundfunk, gelang es, eine ebenso differenzierte wie kritische Sicht des Zusammenspiels von technischen Entwicklungen, inhaltlich/konzeptionellen Voraussetzungen und der medienpolitischen Vorgaben und Erwartungen überzeugend zu vermitteln. Die Hintergründe der heutigen Kommunikationsversorgung und Informationsvermittlung mit ihrer "Agenda setting", das Recycling von Daten- und Informationsmüll bilden Problemfelder, die inhaltlichen Konzeptionen für Multimediaprojekte geradezu herausfordern, soll nicht eine zwar technisch hochgerüstete Gesellschaft letzten Endes zu einer Desinformationsgesellschaft degenerieren. Hier sieht Weiß auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, gleichzeitig aber auch in der Pflicht, Multimedia-Projekte mit konzeptionellen, die gesamte Medienlandschaft einbeziehenden Vorstellungen zu begleiten und mit inhaltlichen hochwertigen Programmen zu realisieren, zumindest aber zu unterstützen.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch der Fachvortrag von Ulrich Booms über "Compuserve und Internet: Anwendungen im Spiegel-Archiv". Booms überzeugte nicht nur durch eine klare und verständliche Diktion, sondern vor allem durch seine fachkundige und überzeugende Analyse und Interpretation der Datennetze und ihrer Angebote, die zukünftig Informationsvermittlung und -versorgung eine noch wichtigere Rolle spielen werden als heute.

Abschließend einige Anmerkungen zu den Fachveranstaltungen: Bei Text und Bild soll - wie erstmals in Rastatt praktiziert - den Belangen des größeren und der kleineren Pressearchive durch entsprechende Programmschwerpunkte Rechnung getragen werden. Daß dies in der Badner Halle, in der wir übrigens eine vorzügliche Tagungsstätte vorfanden, noch nicht ganz gelang, sollte die Programmverantwortlichen nicht entmutigen. Bei der AG Tondokumente ist inzwischen die Verbindung mit der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz schon gute Gewohnheit. Die Themen "Massenspeicher und Digitalisierung" werden uns noch in den nächsten Jahren beschäftigen, hängt doch von deren Einrichtung Wohl und Wehe zumindest aber das Schicksal der Schallarchive ganz wesentlich ab.

Bleibt die AG AV-Dokumente, deren Baden-Badener Veranstaltung oben erwähnt ist. Am 10. Mai befaßte sie sich mit guter Resonanz (54 Teilnehmer) und außerordentlich spannenden Diskussionen mit dem Thema "Externe Nutzung der Rundfunkinformationssysteme". Dabei standen urheberrechtliche und Probleme des Datenschutzes und damit zusammenhängend der Erhaltung des sog. Medienprivilegs im Mittelpunkt der Erörterung.

Die Stadt Rastatt war der Fachgruppe 7 ein liebenswerter und allseits zuvorkommender Gastgeber. Dies gilt auch für die Sponsoren des Abends in der Baden-Badener Molkenkur, nämlich Südwestfunk, Badisches Tagblatt und Nomos-Verlag, wobei die SWF-Kollegen ebenso wie Herr Ziel, der Leiter des Freiheitsmuseums im Schloß Rastatt, wie auch die Leiter der archivischer Einrichtungen in Karlsruhe einen großen Besucheransturm zu bewältigen hatten; dafür auch von hier aus herzlichen Dank.

Die Frühjahrstagung der Medienarchivare/-dokumentare im Verein deutscher Archivare 1995 in Rastatt ist Geschichte; in den nächsten Jahren zieht es die Fachgruppe 7 nach München und Berlin, wobei, das bewies die kleine badische Residenz, die Veranstaltung im Zeitalter von elektronischer Massenkommunikation und Datennetzen, eigentlich in fast jeder Stadt im Bundesgebiet durchgeführt werden kann.

Heiner Schmitt

 

02.03.2009